Architekt
Zeichner
Lehrer
Van Bo Le-Mentzel, 44
Vita
Van Bo Le-Mentzel kam 1977 in in einem Flüchtlingslager in Thailand zur Welt und 1979 mit seinen Eltern nach Deutschland. Er wuchs in Berlin-Wedding auf. Seine Vielseitigkeit begann er als Graffiti-Künstler und Rapper unter den Künstlernamen “P-Rhyme” & “Prime Lee”. Es folgte die Radio Moderation bei Kiss FM, ein Architekturstudium, diverse Dozententätigkeiten, die Arbeit als PR-Berater bei Kinky Berlin, als Zeichner mit dem Schwerpunkt Graphic-Recording, als Designer einer Möbelkollektion “Hartz IV Möbel” und die Gründung der Tiny Foundation, bei welcher er heute immer noch aktiv ist.
Das Interview
Van Bo Le-Mentzel
Episode 2
Stell Dich kurz vor
Van Bo Le-Mentzel: Ich heiße Van Bo, Van Bo Le-Mentzel, ich bin Architekt und ich bin hier als Dozent für Marketing an der Kreativwerkstatt.
Schule ist ...
Van Bo Le-Mentzel: Schule ist eine Notwendigkeit.
Wie sollte Schule sein?
Van Bo Le-Mentzel: Schule sollte inspirierend sein.
Studieren ist …
Van Bo Le-Mentzel: Studieren ist ein Privileg.
Arbeit ist …
Van Bo Le-Mentzel: Arbeit ist Scheiße. Also es gibt Bullshit Jobs wollte ich damit sagen, aber es gibt natürlich auch Arbeit, die erfüllt. Aber die meiste Arbeit ist, Erwerbsarbeit ist wirklich Scheiße.
Glück ist …
Van Bo Le-Mentzel: Glück ist … mmh, habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht. Glück ist eine Einstellungssache.
Träume sind ...
Van Bo Le-Mentzel: Träume sind gefährlich.
Scheitern ist ...
Van Bo Le-Mentzel: Scheitern ist völlig … scheitern ist völlig Standard, ist völlig normal, wird von der Gesellschaft nur so als etwas Böses angesehen, aber das Leben beginnt ja mit dem Scheitern, weil man ja nicht im Bauch bleiben kann, geht man raus als Embryo und schon scheitert man und dann beginnt das Leben.
Bildung ist ...
Van Bo Le-Mentzel: Weiterbildung ist nett.
Bedingungsloses Grundeinkommen ist ...
Van Bo Le-Mentzel: Bedingungsloses Grundeinkommen ist der richtige Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht zu Ende gedacht.
Van Bo's Fähigkeiten
als Architekt
übernimmt jede Art der Videobearbeitung von Schnitt bis Postproduktion.
als Zeichner
Er kennt sich mit der Führung einer Bar mit Unterhaltungsmusik und Live-Acts aus.
als Lehrer
Er kennt sich mit der Führung einer Bar mit Unterhaltungsmusik und Live-Acts aus.
Was würdest Du machen, wenn Du genug Geld hättest?
Van Bo Le-Mentzel: Was würde ich machen, wenn ich richtig viel Kohle hätte? Ich würde auf jeden Fall … Ich glaube, ich würde mich einkaufen in so … Konzerne und dort einfach stören, so bei irgendwelchen Abstimmungen immer sagen so nö, so geht das nicht und nein ihr müsst jetzt anders besetzen das Personal. Einfach nur stören bei so Daimler, Tesla und überall … einfach mich rein setzen und die Leute so ein bisschen nerven.
Glaubst Du Geld ist Motivation?
Van Bo Le-Mentzel: Geld ist auf jeden Fall für diejenigen, die zu wenig Geld haben eine Motivation. Sobald man aber statistisch gesehen über, ich glaube so 2300 Euro oder sowas pro Monat kommt, ist Geld nur noch Last. Also 23 ungefähr … gibt so ein paar Statistiken dazu. Das ist so die Zahl, die man nicht überschreiten sollte. Danach wird es echt, äh … nur noch, wird man gierig.
Was ist Dir wichtiger, Sicherheit oder Freiheit? Und warum?
Van Bo Le-Mentzel: Es gibt Menschen, die brauchen zumindest das Gefühl, ja, möglichst frei zu sein … wobei da gibt’s ja auch so viele verschiedene Denkerinnen und Dichter, und so, die, die darüber schon nachgedacht haben wieviel Freiheit der Mensch wirklich verkraftet und braucht. Ich glaube, dass Freiheit eine Gefühlssache ist, ja also so, die, die sozusagen die völlige Freiheit entscheiden zu können wer ich sein will, wohin ich gehen will usw. … Ich glaube das macht die Menschen eher fertig, also dafür sind wir glaube ich nicht gemacht, dass wir wirklich komplett uns frei machen können von allem, sondern wir brauchen schon, so Eltern, wir brauchen Freunde, wir brauchen irgendwie eine Art von Identität und nur so Fluid zu sein, die ganze Zeit ich glaub dass … dafür sind Menschen einfach nicht gemacht. Von daher ist Freiheit eher eine gefühlte Sache, die Menschen brauchen. Aber sobald sie dann die völlige Freiheit haben zu entscheiden wer sie sind, z.B. wie ich aussehen könnte oder was ich machen könnte, mit mir, mit meinem Körper, mit meinem Leben. Ich glaube da werden viele eher unglücklich, wenn sie das alles auch noch entscheiden müssten. Ich bin eigentlich ganz froh, dass zum Beispiel meine Eltern dafür … sich entschieden haben, dass ich Leben soll. Stell Dir mal das müsstest Du auch noch entscheiden, ne. Möchte ich eigentlich leben oder möchte ich nicht leben, möchte ich auf die Welt kommen oder nicht. Also diese vielen Freiheiten, die, die wir ja nicht haben als Menschen, die sind auch okay.
Was sind oder waren Deine Niederlagen?
Van Bo Le-Mentzel: Welche Niederlagen hatte ich? Also ich hab mal bei der Führerscheinprüfung … bin ich immer auf der Mittelinsel zu früh nach links abgebogen und hab mich … habe ich meinen Führerschein nicht geschafft. Das war auf jeden Fall eine krasse Niederlage. Ich habe davor ja mein Abi gemacht, das ist ja auch eine wichtige Prüfung, hab ich bestanden und mein Seepferdchen usw. aber da bei dieser Führerscheinprüfung mein Führerschein nicht anerkannt zu bekommen, das war für mich krass, das war meine erste Niederlage. Aber die Niederlagen danach die waren auf jeden Fall sehr sehr viel wesentlicher. Wie oft ich mich schon verliebt habe und dann wollten die einfach nicht mit mir zusammen sein, das tut weh, das sind glaube ich die schlimmsten Niederlagen gewesen in meinem Leben, zurückgewiesen zu werden, von Menschen.
Was treibt Dich an?
Van Bo Le-Mentzel: Ich habe so ein Ritual, ich lese sehr gerne Zeitung, Tageszeitungen, morgens immer so beim Kaffee und das mache ich seitdem ich 14 bin. Mit der TAZ habe ich angefangen, jetzt mache ich mit der Berliner Zeitung, jeden Morgen, ja … und das motiviert mich total, also ich finde nämlich immer mindestens einen Text, der mich so extrem aufregt, wo über irgendwas geschrieben wird, wo ich denke es kann doch nicht sein, dass ist ungerecht oder das stimmt nicht, die Behauptung ist nicht korrekt oder der Text ist zu einseitig geschrieben und das löst in mir so Gefühle aus und das motiviert mich dann das irgendwie besser zu machen. Oder ich schreibe auch ganz vielen Leserbriefe dann immer an die Zeitungen, versuche Dinge richtig zu stellen oder meine Sichtweise deutlich zu machen. Und das hat dazu geführt, dass ich teilweise für die Berliner Zeitung ab und zu jetzt schreibe, ja also die laden mich dann ab und zu mal einen auch ein Gastbeitrag zu schreiben und so habe ich meine ersten journalistischen Erfahrungen gesammelt.
Was ist Dein Lebenstraum oder -ziel?
Van Bo Le-Mentzel: Was ist mein Lebenstraum? Ich würde ziemlich gerne mal einen Copyshop eröffnen … also so einen coolen Copy Shop, wo man auch Kaffee trinken kann, weil ich bin, seitdem ich denken kann, bin ich eigentlich immer Abends in Copyshops und drucke Sachen aus für die Schule und irgendein Referat oder sowas, und später für Veranstaltungen, Flyer, T-Shirts bedrucken und sowas kann man ja auch im Copyshop machen. Jetzt als Architekt druck ich Pläne aus und so und die Sachen mache ich meistens dann immer Nachts, weil tagsüber hat man halt die Dateien erarbeitet. Und im Copyshop ist dann so der letzte Moment, wo die Idee dann praktisch visualisiert wird und dann ist es im Druck und dann bin ich todmüde und fall ins Bett, gehe nach Hause, fall ins Bett. Und Copyshops haben mein Leben geprägt und ich würde, das wäre so ein Traumberuf, ja, irgendwann mal, also wenn ich alt bin nicht jetzt, aber wenn ich sagen wir mal alt bin, mit 80, würde ich gern mal so einen Copyshop eröffnen … wo man aber nur mit alter Technik auch sozusagen arbeitet, also mit USB Sticks vor 30 Jahren oder so. Und dann erzähle ich denen mal wie das Leben früher war.
Kennst Du Deine Talente und Fähigkeiten?
Van Bo Le-Mentzel: Ich habe so ein paar Fähigkeiten mit denen ich immer ganz gerne angebe. Ich kann zum Beispiel ganz gut zeichnen, ja, und damit kann man ganz gut Leute beeindrucken, vor allem die, die nicht zeichnen können, die finden es total, sofort toll. Und es gibt so ein paar Fähigkeiten, die ich als extrovertierter Mensch habe. Ich bin gerne auf der Bühne, ich habe früher gerne Musik gemacht und rap und so weiter. Aber es gibt tatsächlich auch Fähigkeiten von denen ich nicht wusste, dass ich die habe – zum Beispiel wusste ich nicht, dass ich … also ich bin den Marathon gelaufen, vor ein paar Jahren … und das zum Beispiel wusste ich gar nicht, dass ich das kann, also so Ausdauersport. Das war mir völlig fremd, dass ich das überhaupt so, ja, so kann. Und das war zum Beispiel so eine Erkenntnis in mir, als ich dann den Marathon gelaufen bin, in Kopenhagen war das, da dachte ich mir so krass, ich bin gerade den Marathon gelaufen, was kann ich denn noch alles, wovon ich dachte, was ich nicht kann. Und das kann ich jedem nur empfehlen, also jeder der jetzt keine Knieschmerzen hat oder so einfach mal den Marathon zu laufen. Das kann wirklich jeder, jeder Mensch kann den Marathon laufen. Also man muss halt langsam laufen, aber eigentlich schafft es jeder. Und danach bist du irgendwie so voll, ja, irgendwie so ein anderer Mensch, weil du das Gefühl hast, Du hast echt jetzt gerade Schmerz erlebt und hast trotzdem durchgehalten und diese Motivation, die kann man übertragen auf andere Aufgaben im Leben.
Was wolltest Du als Kind werden?
Van Bo Le-Mentzel: Als Kind wollte ich ganz klar … also ich war ein großer Spiderman Fan und ich wollte als Kind immer auch ein Superheld sein und ich hab … das ist total bescheuert, wenn ich das so sage, aber ich habe das wirklich gemacht. Ich bin nach der Schule immer nach Hause gegangen und hab dann gehofft, dass irgendeine Spinne mich beißt. Weil so wurde ja Peter Parker zu Spiderman durch den Biss einer radioaktiven Spinne. Aber ich habe natürlich vollkommen vergessen, das reicht ja nicht aus, dass irgendeine Spinne mich beißt, sie muss ja auch noch radioaktiv sein. Also völlig bescheuert und dann habe ich einfach gehofft auf ein Wunder, ja, und habe dann einfach die Wand angefasst und hab halt gehofft, dass dann vielleicht ich dann an der Wand hängen bleibe, sodass ich dann die Wand hoch krabbeln kann und habe das jeden Tag trainiert und ausprobiert. Habe Kamehame Ha regelmäßig ausprobiert, wo man so bei Dragon Ball dann so Kamehame Ha sagt und dann kommt so aus der Hand, kommen so Strahlen raus. Weil, kann ja sein, dass durch irgendein Wunder, vielleicht passiert das ja mal … und das habe ich ein paar Jahre lang gemacht und das hat alles nicht funktioniert. Und dann habe ich irgendwann einfach beschlossen, okay dann werde ich halt Comic-Zeichner. Das war dann so mein allererster Berufswunsch, irgendwann mal Comic Zeichner zu sein, und zwar in New York City, bei Marvel Comics angeheuert zu werden, als Comic Zeichner.
Machst Du das jetzt, was Du als Kind werden wolltest?
Van Bo Le-Mentzel: Bin ich jetzt ein Superheld? Also ich mach das heute nicht mehr, dass ich zu Hause so Kamehame Ha trainiere. Das mach ich jetzt nicht mehr, aber ich versuche auf jeden Fall diese Philosophie von Spiderman auszuleben, das stimmt. Er sagt ja mit großen Fähigkeiten kommt große Verantwortung. Das heißt, wenn du was kannst … also Spiderman konnte halt so übersinnliche Sachen, das kann ich nicht, aber ich kann zeichnen. Ich kann auf der Bühne stehen und reden. Das sind Fähigkeiten, die ich habe und die setz’ ich jetzt ein, nicht nur für mich, sondern auch für andere. Und deswegen mag ich Bildung so sehr, ja, deswegen bin ich halt an verschiedenen Schulen auch und biete mich immer wieder an auszuhelfen, wenn in Schulen Lehrermangel ist, dann gehe ich dahin und helfe da halt aus. Klar ist es auch ein Job, also ich verdiene damit zwar auch Geld, ist nicht so viel, aber es ist vor allem die Überzeugung, dass wenn man etwas kann, dann hast Du Verantwortung, dann musst du das auch einsetzen für das Gemeinwohl. Und das ist eigentlich eine Superheldentat, ja. Von daher bin ich ein Superheld.
Glück ist eine Einstellungssache.
Van Bo Le-Mentzel
Bist Du glücklich mit dem was Du tust?
Van Bo Le-Mentzel: Bin ich glücklich mit dem was ich tue? Naja, also bevor ich eine Familie gegründet habe, ich habe zwei Kinder, habe ich nochmal anders über das Leben nachgedacht als heute ne. Früher, ja, fragt man sich oft so, was ist der Sinn des Lebens, was ist Karriere, wieviel Geld muss ich eigentlich wirklich verdienen, damit ich von mir sagen kann ich bin jetzt erfolgreich und so. Das hat sich sehr sehr verändert, nachdem meine Kinder auf die Welt kamen. Jetzt frage ich mich zum Beispiel nicht mehr: “Was muss ich machen, damit ich glücklich bin?” – sondern ich frag eher so: “Wie muss die Familie sich entwickeln, damit wir alle glücklich sind?” Also die Einheit hat sich verändert. Früher war die Einheit nur ich und jetzt ist die Einheit irgendwie … sind so ganz viele Herzen, nicht nur eins und dann denkt man irgendwie anders. Und ich bin auf jeden Fall, so wie es jetzt gerade ist, bin ich, bin ich ziemlich happy.
Was gefällt Dir an Deinem aktuellen Job und was nicht?
Van Bo Le-Mentzel: Ich bin, ich habe verschiedene so Jobs … Ich bin zum Beispiel auch Lehrer an einem Gymnasium, Kunstlehrer, ich bin Dozent für verschiedene Sachen, hier zum Beispiel bin ich Marketing Dozent bei der Kreativwerkstatt. Und ich habe auch noch eine Firma gegründet, die Tiny Foundation und ja … Was mag ich gerade nicht? Also im Moment finde ich die Abwechslung eigentlich gut, dass ich so verschiedene Sachen in der Woche machen kann. Dadurch kommt keine Langeweile auf und auch keine Routine im schlechten Sinne, also dass man sozusagen irgendwann nur noch so funktioniert. Tja was ich halt nicht mag ist das Pendeln vielleicht, ja … Also die Schule wo ich unterrichte ist in Reinickendorf, da brauche ich immer eine Stunde hin. Also darüber nachzudenken, wie man das noch anders machen kann, dass Menschen nicht so viel in dieser komischen Transitzone sind. Also immer wenn man sozusagen nicht bei A und auch nicht bei B ist, diese Zone nenne ich Transitzone oder pendeln … also Verkehr … Und das macht Menschen krank, nachweislich. Wenn man immer im Auto sitzt und so, und gar nichts machen kann, kein richtiges Gespräch führen kann, nichts lesen kann, nicht essen kann, dann wird man krank. Und dieses Leben in der Transitzone das interessiert mich sehr, wie man das gestalten kann, wie man das besser machen kann, wie man das vielleicht auch verkürzen kann oder vielleicht muss man es gar nicht verkürzen, sondern einfach nur kultivieren, das interessiert mich.
Was bedeutet für Dich erfolgreich im Beruf zu sein?
Van Bo Le-Mentzel: Erfolgreich im Beruf sein? Da gibt es zwei Messlatten sag ich mal, ja … die eine Messlatte ist das, was andere von Dir erwarten. Und mit andere meine ich Leute, die über dich entscheiden können, zum Beispiel Deine Chefin oder Chef. Also was die Person von dir denkt und deine Arbeit bewertet. Das ist sozusagen eine Sache, eine Messlatte und die andere Messlatte ist ja deine eigene, also
was erwartest du von dir selbst. Und das ist nicht immer Deckungsgleich mit dem, was andere von dir erwarten. Und viele machen den Fehler, viele machen aus diesen beiden Messlatten eine ja. Und ich glaube dann hast du verloren. Also wenn du dich nur noch orientierst nachdem was andere von dir erwarten, dann verlierst du deine eigene innere Stimme. Und das ist das was viele Menschen glaube ich durcheinander bringt oder auch fertig macht, dass sie diese beiden Messlatten nicht zusammenkriegen. Also vielleicht ist deine Chefin voll zufrieden mit dir, aber du bist so, voll so gelangweilt, voll so unterfordert. Oder andersrum. Also deine Chefin will das Du mehr machst, aber du bist der Meinung, eigentlich ist es voll okay. Und dann gibt es da so eine Diskrepanz. Ja, also diese beiden Messlatten möglichst irgendwie zu kennen und dann eine Beziehung zu diesen beiden Messlatten aufzubauen, ich glaube das ist der, das ist der Schlüssel zum Erfolg. Weil manchmal muss man auch ein bisschen schauspielern, muss so tun als ob man sozusagen die andere Messlatte voll akzeptiert. Dabei hast du vielleicht Deine eigene Messlatte, nach der du dich orientierst.
Was macht für Dich das Leben aus?
Van Bo Le-Mentzel: Was macht für mich das Leben aus? Also als mein Sohn auf die Welt kam, da habe ich verstanden was Leben ist. Weil das ist schon krass, also bei diesem Geburtsvorbereitungskurs lernst du was so ein Embryo so durch macht und dann wie das überhaupt den Weg in die Freiheit sozusagen findet. Du musst nämlich durch den Geburtskanal, der ist gekrümmt. Das ist eine total bescheuerte Idee. Ich weiß gar nicht wer sich das ausgedacht hat, diesen Weg so kompliziert zu machen … wäre besser wenn man einfach sagt: “Tür auf und fub ist das Baby da.” – Aber nein das Baby muss wirklich so voll den krassen Weg machen, um rauszukommen und der Kopf ist rund und dieser Geburtskanal ist ein Schlauch. Das ist, das passt gar nicht zusammen. Und trotzdem gehen wir alle diesen Weg, also außer die jetzt einen Kaiserschnitt gemacht haben. Aber sonst die Anderen, die gehen alle diesen Weg. Und dann bist Du auf einmal so in der Freiheit, in der Kälte und schreist, weil du nicht mehr klar kommst. Und als ich das gesehen habe – okay, so beginnt also Leben? Ja, Buddhistinnen, zum Beispiel, nennen das Dharma, also Schmerz, also es klingt negativ, aber im buddhistischen ist Schmerz nicht unbedingt etwas negatives. Also das Leid, der Schmerz, das ist eigentlich das Leben. Und ich würde sagen, sobald du das verlierst, sobald du abgestumpft bist und kein Schmerz mehr fühlst, dann lebst du nicht mehr. Also dieser tägliche Kampf aufzustehen, der tägliche Kampf neu mit deinen Gefühlen, mit Deiner Umwelt umzugehen und so, das ist Leben. Und das ist nicht immer einfach und auch nicht immer angenehm. Aber sozusagen jeden Tag diesen Geburtskanal durchzumachen, sozusagen, im übertragenden Sinne, das ist Leben.
Van Bo's Buch Empfehlung
Lebst Du Deinen Traum?
Van Bo Le-Mentzel: Es ist gut Träume zu haben, aber es ist gefährlich Dir Träume aufzuschwatzen, die andere eigentlich haben. Und die meisten Träume, wenn wir ehrlich sind, die wir haben, sind gar nicht unsere eigenen, sondern sind von irgendwelchen Werbeagenturen ausgedacht, sind die Träume von unseren Eltern, sind die Träume von irgendwelchen Büchern, von irgendwelchen Fernsehserien auf Netflix. Also wer träumt denn schon wirklich seinen eigenen Traum. Ich glaube, dass das Geheimnis von Leben ist das Leben selbst. Also man muss gar nicht so viel träumen oder vor allem auch planen. Also ich weiß es gibt Leute, die planen sehr viel, haben so Checklisten und so weiter so was habe ich alles nicht mehr. Ich mache keine Checklisten mehr. Ich glaube die Kunst ist es wirklich jetzt genau in diesem Moment da zu sein, nicht in der Vergangenheit, sich erinnern wie ich es gestern gemacht habe, oder letzte Woche, wie habe ich es da nochmal gemacht oder in der Zukunft leben, so was wie, ah wenn ich das und das jetzt heute mache, dann habe ich irgendwann mal in fünf Jahren, kann ich mir ein Auto kaufen oder sowas. Oder jetzt fleißig arbeiten, damit ich mir den Urlaub leisten kann, in drei Monaten. Dann lebt man auch in der Zukunft. Also das Geheimnis ist wirklich im Moment zu sein, also genau jetzt. Was ist jetzt? Also wenn in zehn Minuten die Welt untergehen würde, was würde ich jetzt tun? Und dann würde ich auf jeden Fall nicht mit euch hier abhängen Leute, würde sofort … Nee aber jetzt im Ernst. Also man muss halt schon darauf achten, dass man nicht so sehr auf Kredit lebt ja, also nicht zu viele Sachen macht, die man eigentlich gar nicht machen will, nur damit man irgendwann mal später es besser hat oder damit man irgendwas, was in der Vergangenheit liegt wieder gut macht. Sondern möglichst versucht in diesem Moment, in dem man jetzt ist, alles richtig zu machen. Aber was richtig ist, entscheidest du.
Welches Buch hast Du zuletzt gelesen?
Van Bo Le-Mentzel: Ich habe zuletzt ein Buch gelesen von Spiegel. Das heißt Antisemitismus. Das ist ein Buch, das macht total schlechte Laune. Ich kann es nicht empfehlen. Jetzt habe ich schon wieder so viele Sachen gelernt, die so danach schreien, dass man irgendwie Taten folgen lässt und dann sozusagen noch mehr woke ist. Es ist schon hart, was man alles zu diesem Thema lernen kann. Das ist schon echt manchmal deprimierend zu sehen, zu was Menschen imstande sind. Ja, das ist das letzte was ich gelesen habe, ein Special vom Spiegel über Antisemitismus.
Das Interview führte Filipa in Kooperation mit der Kreativ Werkstatt Digital UG im Rahmen von Digitize your Skillz.
Crew
Gastgeber: Filipa Gast: Van Bo Le-Mentzel
Kamera: Thai Ma
Regie: Danilo Piech
Licht: Thai Ma
Producer: Thai Ma, Danilo Piech
Assistenz: Filipa